top of page

Wahl 2009, Teil 2: Gut ist schlecht

  • Autorenbild: Christoph
    Christoph
  • 11. Okt. 2019
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Mai 2020

Wahlkämpfe kenne ich schon lange. Im Jahr 2009 hatte ich bereits jede Menge Erfahrung und eine fast zärtliche Beziehung zu dem Thema. Welches andere Kind sammelt sonst schon alte Wahlplakate? Schon seitdem ich laufen konnte, habe ich meinem Vater beim Kleben der Plakate geholfen. Die ersten, an die ich mich bewusst erinnere, waren von Norbert Blüm. Mit Parolen wie „Mit Rau und SPD, Hauptschule Ade!“ wollte er 1990 Ministerpräsident von NRW werden. Hat nicht geklappt.


Bei der Kommunalwahl 2005 konnte ich endlich auch meine eigenen Ideen in den Wahlkampf einbringen. Als Geschäftsführer der Jungen Union brannte ich darauf, kreativ zu werden. Was mir gelang, war tatsächlich ein Hit: Die orangen „Jupp und juut!“ Aufkleber klebten sich auf dem Stadtfest erst alle JUler und dann immer mehr Menschen auf die Brust. Am Ende sogar der Moderator des Kandidatenduells auf der Hauptbühne.


Der Spruch, den ich mir in meiner Badewanne ausgedacht hatte, traf genau das Gefühl der Menschen. Wieso sollte man jemand anderes wählen, wenn der Bürgermeister doch einen guten Job machte? Quasi das „Keine Experimente!“ der Willicher Kommunalpolitik.

Von diesem Fest ging ein gewaltiger Schub für den Wahlkampf aus. Wir waren plötzlich überall, wir waren jung, weltoffen und haben der Partei im Wahlkampf ganz nebenbei ein neues Image verpasst. Am Ende kam die CDU auf 55,9 Prozent der Stimmen – das bis dahin beste Wahlergebnis in der Geschichte der Stadt.


Schon da wusste ich, dass ich auch fünf Jahre später dabei sein wollte, wenn es darum ging, diesen Erfolg zu verteidigen. Den Platz am Tisch der Wahlkampfplaner, so fand ich, hatte ich mir verdient.


+++


Die CDU ist eine Partei und das bedeutet: Nicht gerade flexibel. Wer welches Hütchen auf haben und welchen Titel führen darf, ist oft wichtiger als die Frage, wer die Arbeit eigentlich wirklich macht. Das gilt natürlich erst Recht bei dem Thema, wer im Wahlkampf mitentscheiden oder diesen gar leiten darf. In der Tat habe ich später noch öfters Kampagnen planen und operativ leiten dürfen, bei denen andere sich den hübschen Titel des Wahlkampfmanagers bereits gesichert hatten. In der Tat auch eine Art von Management. Im Vorfeld der Kommunalwahl 2009 war es deshalb etwas ganz besonderes, was in der Willicher CDU passierte. Eigentlich obliegt dem Geschäftsführer der Partei qua Amt die Leitung von Wahlkämpfen. Eigentlich, denn Bernd Sporckmann - der mich schon lange kannte und wusste das ich nicht nur will, sondern auch kann - hat mich nicht nur kurzerhand zu seinem Vertreter ernannt, sondern mir auch den Hut des Wahlkampfleiters einfach weitergereicht. Und alle haben akzeptiert. Dass die CDU landesweit mit Verlusten rechnen musste und es besonders in Willich mehr zu verlieren als zu gewinnen gab, mag dabei durchaus auch eine Rolle gespielt haben. Bürgermeister und absolute Mehrheit hatten wir ja schließlich schon und zumindest letztere sahen viele schon als verloren an. Mir wars egal: Es ging los. Zur Freude den Wahlkampf leiten zu dürfen, kam schnell eine gewisse Nervosität. In der Kommunalpolitik stehen einem keine Umfragedaten, keine Meinungsforschungsinstitute oder Peer-Groups zur Verfügung. Will man eine Kampagne planen, dann ist man einzig auf sein Gefühl und jede Menge Gespräche vor Ort angewiesen. Gespräch mit Leuten, die in aller Regel auch nicht repräsentativ sind. Meist sogar überhaupt nicht repräsentativ. Auf der jährlichen Klausurtagung der Willicher CDU-Stadtratsfraktion in Bocholt zum Beispiel. Trotzdem einer der besten Orte um mit den Gedankenspielen zu beginnen. Wie fast immer bei solchen Sitzungen, finden die wichtigsten Gespräche nicht im Sitzungssaal statt. An der Theke im Keller des Europa-Hauses schon viel eher. Gemeinsam mit meinem Ratskollegen Uwe Rieder spreche ich dort über erste Ideen für den Wahlkampf. Uwe Rieder schlägt als Slogan „Starkes Willich“ vor. Zu unserer Bilanz der letzten Jahre würde es passen, aber ich finde es zu technisch. Zu sehr feststellung. Dazu kommt: Die Bremer CDU ging bei der Bürgerschaftswahl 2007 just mit diesem Slogan baden. Es sind jede Menge Vorschläge, die besprochen und verworfen werden. Am Ende bleibe ich bei meinem Favoriten: „In guten Händen“. Auch nicht super fancy, auch schon einmal in der Landespolitik benutzt. In Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Wolfgang Böhmer – ein Kinderarzt – die Landtagswahl 2006 mit diesem Slogan gewonnen. Aber immerhin emotionaler und wärmer. Und zu unsere Arbeit, besonders aber zu unserem Spitzenkandidaten, unglaublich passend. Die CDU kann auf eine gute Bilanz verweisen, hat das ausführlichste Wahlprogramm und der Bürgermeister kann auf großes Vertrauen in der Bevölkerung bauen. Wenn man damals in Willich etwas spüren kann, dann dass selbst der politische Gegner Josef Heyes nicht unterstellt, nicht sein Bestes zu geben. Ein Wähler verkündet am Infostand in Schiefbahn: „Der Jupp ist die einzige schwarze Sau die ich wähle!“. Der Grund: Vertrauen. Also: Slogan passt! Aber das reicht mir nicht. Im Jahr zuvor war Barack Obama mit einem fulminanten Wahlkampf zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden. Noch immer rieb man sich ob der Dynamik die Augen und noch immer arbeitete sich die etwas piefigere deutsche Politik an diesem Wahlkampf ab. “Yes we can”-Abklatsche gab es allerorten. Mir ging es aber um etwas anderes. Woran sich heute fast keiner mehr erinnert, ist Obamas eigentlicher Slogan: „Change we can believe in“. Schon eher in den Köpfen geblieben sind die beiden Schlagwörter „Hope“ und „Change“, die an diese Kernbotschaft angelehnt sind. Das ist es, was ich auch in Willich will. Denn wir wollen gleich mehrere von den Geschichten erzählen, die sich hinter „In guten Händen“ verbergen und diese Grunderzählung damit zugleich stärken. Was daraus entsteht ist ein Dreiklang: “Gute Arbeit”, “Gute Ideen”, “Gute Zukunft”. Finde ich bis heute eine der besten Ideen dieser Kampagne. Bilanz, Gegenwart und Ausblick vereint. Aber da ich sowas zum ersten Mal mache und entsprechend nervös bin, hole ich mir Expertise von außen: Einen Bekannten meines Vaters, der sich mit Werbung nicht nur auskennt, sondern eine ganz schön erfolgreiche Werbeagentur in Düsseldorf besitzt. Statt Lob kommt Kritik. Er schaut drauf und findet: Das „Gut“ ist schlecht. Es muss „In besten Händen“ und “Beste Arbeit”, “Beste Ideen” und “Beste Zukunft“ heißen. Gut würde den Kunden nicht reichen. Die Vorschläge höre ich mir aufmerksam an, entscheide mich aber anders. Schließlich geht es um Politik, nicht um Shampoo. Die Leute in Willich kennen uns. Wir sind gut. Zu behaupten dass wir die Besten sind, hielte ich nicht nur für vermessen sondern auch für Überheblich. Das wäre das Gegenteil von Vertrauen. Trotzdem bin ich bis heute dankbar für diesen Austausch. Reden ist immer gut, denn nur so konnte ich herausfinden: Wir sind auf dem richtigen Weg.

Comentarios


bottom of page